Stellungnahme des AStA zum Umgang der JGU mit sexualisierter Gewalt

Der AStA ist bestürzt und wütend über den Umgang der Universität mit Überlebenden sexualisierter Gewalt und spricht Betroffenen seine volle Solidarität aus.

Im Juni 2020 hat eine Studentin sich an das autonome Alle Frauen*Referat (AFR) gewandt und um Unterstützung gebeten in ihrem Kampf um Konsequenzen für eine versuchte Vergewaltigung unter Einsatz von K.O.-Mitteln durch ihren Kommilitonen und anschließender Morddrohungen. Beide studieren in dem internationalen Masterprogramm Sports Ethics and Integrity (MAiSI) und befinden sich derzeit in Mainz.

Wir unterstützen die Forderungen der Studentin und fordern die Universität nachdrücklich auf ein Exmatrikulationsverfahren gegen den Täter einzuleiten. Wir glauben Überlebenden und Opfern sexualisierter Gewalt uneingeschränkt. Der Umgang der Universitätsleitung in diesem Fall zeigt einmal mehr, wieso es für Überlebende und Opfer sexualisierter Gewalt so schwierig ist, Konsequenzen zu fordern. Die Universität Mainz ist auf ganzer Linie gescheitert, die Studentin zu unterstützen und zu schützen. Immer wieder betonte die Universitätsleitung in Gesprächen wie wichtig ihr sei, Überlebenden zu glauben und alles dafür zu tun, dass diese ihr Studium fortsetzen können. Es ist unbegreiflich, dass nach diesen Versicherungen die einzige Konsequenz für den Täter sein soll, dass der Studiengangsleiter in Mainz den Täter „im Auge behalten“ soll.

Seit der Tatnacht in Swansea am 4.-5. Januar 2020 versucht die Studentin unerbittlich Konsequenzen für den Täter zu erstreiten. Doch die Universitätsleitung der JGU stützt ihre Entscheidung rein gar nichts zu tun auf Untersuchungen, die an der Universität Swansea unter höchst ungewöhnlichen Bedingungen durchgeführt wurden. Die Ergebnisse der Swansea University sprechen von einer „probability decision“, die im Grunde genommen sagt, dass die Universität der Geschichte des Täters mehr Glauben schenkt als den Schilderungen der Überlebenden. Gleichzeitig kontaktiert der Leiter des Studiengangs in Swansea die betroffene Studentin und gibt ihr zu verstehen, dass sie den Fall besser ruhen lassen solle, sonst müsse sie mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Ohne dass die betroffene Studentin anwesend ist, wird mit dem gesamten Kurs der Fall „aufgearbeitet“. Der Täter ist anwesend und bekommt die Chance „seine Sicht“ der Dinge zu präsentieren. Er gibt an, die Studentin wolle Rache, weil er sich geweigert habe sie zu heiraten. Seine Verweigerung habe die Studentin derart traumatisiert, dass sie seither wohl an einer PTBS leiden müsse. Nach dieser „Aufarbeitung“ wird der Kurs darauf eingeschworen, das Thema nun ruhen zu lassen und nicht nochmals zu öffnen. Einzelne Studierende, die für Konsequenzen einstehen wollen, werden vom Studiengangsleiter eingeschüchtert. Die Studentin fühlt sich eingeschüchtert und bedroht von den Verantwortlichen in Swansea und teilt dies auch der Universitätsleitung hier in Mainz mit.

Ebenso liegen der Johannes Gutenberg Universität psychologische Erkenntnisse vor, die bestätigen, dass die Studentin an einer PTBS[1] leidet. Alle beteiligten Stellen und Psycholog*innen sind sich einig, dass ihre Aussagen glaubwürdig sind.

Versuchte Vergewaltigungen werden in den seltensten Fällen verurteilt. Zu surreal sind die Erwartungen an die Beweise von Überlebenden, zu selten wird Überlebenden geglaubt. So auch in diesem Fall. Eine Falschaussage eines Freundes und eine Universität, die den Fall kleinhalten will, sorgten dafür, dass der Täter bis heute keine Konsequenzen fürchten musste. Noch schwieriger wird die Angelegenheit, wenn die Tat während eines Auslandsaufenthalts passiert und der Studiengang sich wenige Wochen später schon wieder in einem anderen Land, an einer anderen Uni wiederfindet. Dies liegt nicht etwa daran, dass der Fall weniger klar wäre, sondern daran, dass auf diese Weise alle beteiligten Institutionen die Verantwortung von sich schieben können. So auch die Johannes Gutenberg Universität Mainz. Seit dem 25. Juni 2020 ist der Fall an der Universität bekannt. Universitätspräsident Prof. Krausch teilte dem Vater der Studentin am 17. Februar 2021 mit, dass die JGU keine Rechtsgrundlage habe zur Exmatrikulation des Täters. Dabei beruft sich das Präsidium auf eine fehlende rechtskräftige Verurteilung des Täters und dem Fakt, dass die Tat nicht an der JGU selbst erfolgt sei.

Sowohl die Universität Swansea als auch die Johannes Gutenberg Universität zeigen, wie man Überlebende sexualisierter Gewalt alleine lässt und Täter*innen hilft. Aus Angst vor einem Rechtsstreit schieben beide Institutionen alle Verantwortung von sich und helfen so dem Täter ungestraft davon zu kommen. Sowohl Swansea als auch Mainz erwähnen, der Täter habe eine Verleumdungsklage gegen die Studentin angestrebt. Der Studentin ist dahingehend nichts bekannt. Allein die Dauer und der Rechtfertigungsdruck, dem die Studentin ausgesetzt wurde, ist inakzeptabel und hoch traumatisierend. Während der Täter weiterhin an der Universität Mainz studiert und sich frei unter seinen Kommiliton*innen bewegt, kämpft die Studentin unermüdlich seit der Tat um Anerkennung und Konsequenzen. Gleichzeitig wird versucht, sie mit Drohungen vor rechtlichen Konsequenzen einzuschüchtern. Doch dem Präsidium der Universität Mainz scheint es wichtiger zu sein sich selbst gegen rechtliche Konsequenzen abzusichern, als einer Überlebenden zu helfen. Die Studentin wird völlig schutzlos sich selbst und dem Täter überlassen.

Universitäten sind für viele Menschen keine sicheren Orte. Immer wieder fallen Männer auf, die auf dem Campus weiblich gelesene Personen belästigen. Viel zu oft gibt es sexualisierte Gewalt auch auf dem Campus der JGU. Doch anzeigen oder melden will diese Fälle niemand, denn es gibt kein Vertrauen in die Universitätsleitung, dass Überlebende gehört werden. Leider müssen wir in diesem Fall wieder feststellen, dass Überlebende zu Recht eine Retraumatisierung ohne Ergebnis befürchten, wenn sie sich an die Universität wenden. Es reicht!

Die betroffene Studentin äußert zu ihrem Fall:

„Die Uni Swansea hatte und die Uni Mainz incl. Prof. Dr. Krausch hat die Macht, gegen sexuelle Gewalt ein-/aufzutreten, doch sie tun es nicht. Sie haben die Macht, einen Sexualstraftäter aus ihrer Universität und aus einem Masterkurs zu verbannen, aus denen spätere Sportethiker mit Integrität hervorgehen sollen, die die Sportwelt beeinflussen sollen. Doch sie tun es nicht. Sie schützen den Täter, nicht das Opfer, und tragen dazu bei, dass dies wieder und wieder passieren kann.

In unserem Studiengang werden in der Theorie Handlungswege aufgezeigt, um eine Kultur des Hinsehens aufzubauen, doch in der Praxis wird weggeschaut und Toleranz/Akzeptanz von sexualisierter Gewalt gelehrt.

Der JGU-Präsident und die beteiligten Entscheidungsträger betonen immer wieder, dass sie den Fall sehr ernst nehmen und besorgt sind. Die Uni Swansea propagiert ihre „Null-Toleranz Politik“ gegenüber sexueller Gewalt, zeigt jedoch das Gegenteil in ihren Handlungen.

Dass sich jemand Sorgen macht und mich zur psychologischen Beratungsstelle schickt, heißt nicht, dass gegen sexualisierte Gewalt eingetreten wird.

Ich brauche keinen Trost, ich brauche Gerechtigkeit!

Ich möchte in einer Welt leben, in der Gesellschaft und Autoritäten versuchter Vergewaltigung, Vergewaltigung und jeder anderen Form von sexualisierter Gewalt entschieden entgegentreten.“

Wir fordern die Universitätsleitung auf, sofort ein Exmatrikulationsverfahren gegen den Täter einzuleiten, sich bei der Studentin zu entschuldigen und für ihren unermüdlichen Einsatz für ihre eigene und die Sicherheit anderer zu danken und sie zudem in Zukunft von Anfeindungen und Drohungen des Täters oder anderer Institutionen zu schützen. Außerdem fordern wir, dass die Universitätsverwaltung diesen Fall zum Anlass nimmt, sich mit den inneren Strukturen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt an der Universität kritisch auseinander zu setzen und diese zu überarbeiten, um Überlende in Zukunft besser betreuen und schützen zu können.

Es reicht! Wir stehen mit der betroffenen Studentin und allen Überlebenden und Opfern sexualisierter Gewalt und fordern: Null Toleranz für sexualisierte Gewalt und echte Konsequenzen für Täter*innen!


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